Christsein als
Naturwissenschaftler

Manche werden sich auf meiner Eingangsseite gewundert haben. Physiker und Christ, geht das zusammen? Ich denke schon. Möglicherweise sogar eher als in anderen Wissenschaftsdisziplinen.

In einer christlichen Gruppe, in der ich an der FU war, waren die Physikstudenten zeitweilig die zweitgrößte Gruppe, gleich nach den Mediziner. Und das obwohl die Studentenzahlen in der Physik erheblich geringer sind als z.B. in der Medizin. Dass man unter Physiker/Physikstudenten nach meiner Erfahrung verhältnismäßig viele religiös (aber nicht notwendigerweise christlich) aufgeschlossene Menschen findet, mag auch an gemeinsamen Fragestellungen liegen, vor allem der Frage nach dem Woher.

Naturwissenschaft und Glauben

Im dem folgenden Text möchte ich darstellen, wie sich mein "Weltbild" vor dem Hintergrund von Naturwissenschaft und Christsein aussieht. Meiner Meinung nach gibt es zwischen fundamental christlicher (zumindest teilweiser) Ablehnung der Naturwissenschaften und fundamental atheistischer Ablehnung von Religionen an sich einen Mittelweg. Dieser Mittelweg erlaubt es mir auch als Christ ernsthaft naturwissenschaftlich zu denken und zu arbeiten, ohne einzelne Zweige der Naturwissenschaft ausblenden zu müssen. Natürlich kenne ich mich nicht auf allen Gebieten gleich aus. Daher kann man sicher im Folgenden den einen oder anderen Fehler finden. Ich möchte jedoch zeigen, dass Christsein und naturwissenschaftliches Denken und Arbeiten nicht bedeutet, dass man mit einem gespaltenen Denken zu leben muss.

Das was ich hier geschrieben habe ist natürlich mitnichten als absolute Wahrheiten verstehen. Vielmehr ist es meine eigene Sicht der Dinge. Absolute Wahrheiten können per definitionem nur einem thermodynamischen Dämon oder einem ein tranzendenten Gott (o.ä.) bekannt sein. Ersteren gibt es spätestens seit Entdeckung der Quantenmechanik nicht und an letzteren zu glauben, muss jedem selbst überlassen bleiben.

Falls jemand dies kommentieren/disktutieren will, steht ihm mein Gästebuch-Diskussionsforum zur Verfügung. Natürlich sind auch Kommentare per Mail willkommen. Ebenso Hinweise auf andere Diskussionsforen zum Thema.

Als Physiker kommt man kaum umhin, sich mit den Grundlagen der Naturgesetze zu beschäftigen:

Wenn man sich mit diesen Fragen beschäftigt, kommt man wie von selbst an die Schnittstelle zwischen Religion, Philosophie und Naturwissenschaften.

Da ich als Physiker vor allem den Bereich der Naturwissenschaften (und da vor allem die Physik, siehe auch meine Wissenschaftseiten.) kenne, werde ich mich dabei auf diesem Bereich beschränken. Über das Verhältnis von Geistes- und Sozialwissenschaften zum Glauben kann ich wenig (und erst recht wenig kompetentes) sagen.

Was wollen die Naturwissenschaften erklären?

Jahrhundertelang hatte in unserem Kulturkreis, die Kirche (und da vor allem die katholische) das Erklärungsmonopol für die gerammte Welt, einschließlich der Naturphänomene. Mit der Zeit kristallisierte sich jedoch heraus, dass die Natur sich nicht an die kirchliche Lehrmeinung hält. Irgendwann - etwa zur Zeit Newtons - hat man sich dann entschlossen, die physische Welt unabhängig von irgendeiner Religion zu untersuchen und zu beschrieben/erklären. Mit der Konsequenz aber, dass alles was direkt durch einen Gott - so es einen gibt - beeinflusst wird, so unerklärbar bleibt.

Als einzige Erkenntnisinstanz sollte dabei das Experiment akzeptiert werden. Alles was nicht durch objektivierbare (d.h. mit gleichem Ergebnis wiederholbare) Experimente beweisbar bzw. überprüfbar ist, hat seitdem nichts in den Naturwissenschaften zu suchen.

Nebenbei bemerkt viele Naturwissenschaftler dieser Anfangszeit waren ihrerseits gläubige Christen (soweit sie aus unserem Kulturkreis stammen). Newton beispielsweise hat nicht nur naturwissenschaftliche Werke, sondern auch theologische verfasst. Damals war es also durchaus denkbar, Glauben und Naturwissenschaft in Einklang zu bringen. (Was natürlich für für heute wenig beweist.)

Wie funktionieren Naturwissenschaften

Die Naturwissenschaften beruhen auf Beobachtungen und Experimenten, für die man dann Beschreibungen/Erklärungen sucht, die letztendliche in Theorien münden, die man dann die Naturgesetze nennt. In der Physik bestehen diese Theorien in der Regel aus eine Ansammlung mathematischer Formeln. Diese Erklärungen sind letztendlich jedoch "nur" Beschreibungen, da sie "nur" beschrieben, was ohnehin gemessen werden kann. Ihre Stärke besteht jedoch darin, dass sie verschiedene Messergebnisse und Naturphänomene in einen möglichst einfachen (Occams Racer) Zusammenhang stellen.

Trotzdem können naturwissenschaftliche Erklärungsmodelle, Naturphänomene nicht auf universelle, objektive, absolut und ewig gültig Prinzipien zurückführen. Dies wollen die Naturwissenschaften gar nicht tun, da dies ihre selbst gesteckten Grenzen überschreiten würde.

Aber selbst innerhalb der Naturwissenschaften sind die gefundenen Beschreibung, Erklärungen oder Theorien nicht notwendigerweise die einzig denkbaren. Es dürfte wohl problemlos möglich sein, zu jedem Phänomen und zu jeder Beobachtung alternative Theorien aufzustellen. In der Regel sind diese Alternativen aber entweder komplizierter, weniger elegant oder erklären weniger als die bereits eingeführten. Oder sie wurden einfach später gefunden und konnten die "alten", etablierten und gleich gute Theorien nicht mehr verdrängen. Dabei ist man (zumindest als Physiker[1]) bestrebt mit möglichst einfachen Grundprinzipien aus zukommen (z.B. Erhaltungssätze). Wenn nun Messungen/Beobachtungen im Widerspruch zur Theorie stehen, dann (und nur dann) ist es an der Zeit die Theorie zu überarbeiten, d.h. weiter zu entwickeln oder -wenn man eine neue, bessere hat - zu verwerfen.

Trotzdem sind naturwissenschaftliche Theorien nicht immer eindeutig. Zum Teil liegt dies an der komplizierten Mathematik, die - vor allem in der Physik - dabei verwendet wird. So ist beispielsweise die Kopenhagener Deutung der Quantenmechanik nicht die einzig mögliche, wenn auch die bis jetzt überzeugenste und vor allem diejenige, die sich durchgesetzt hat.

Mit anderen Worten, der Formalismus ist im Rahmen der jeweiligen Theorie eindeutig formuliert; seine Interpretation kann da sehr wohl noch Spielräume eröffnen.

Wo liegen die Grenzen der Naturwissenschaften?

Zunächst einmal offenbaren die Naturgesetze viele interessante Zusammenhänge zwischen allen möglichen Naturphänomenen. Und man kann daraus sehr viel lernen, wie die Welt funktioniert. Oder zumindest zu funktionieren scheint. Denn es bleibt notwendigerweise offen, ob alles wirklich so abläuft, wie wir es erleben und entsprechend in den Naturgesetze formuliert haben. Oder ob ganz andere Ursachen dahinter stehen und uns diese "Realität" vorspiegeln. Man lese dazu nur bei Stansilaw Lem zum Thema Phantomatik: Man stellen sich einen weiterentwickelten Cyber Space vor, eine weiterentwickelte Virtuelle Realität (=Phantomatik), bei der die virtuellen Eindrücke direkt ins Gehirn eingespeißt werden (Ein Thema das Kürzlich von der Matrix-Triologie aufgegriffen wurde). Wie soll man dann die virtuelle von der "echten" Realität unterscheiden? Ist die von uns erfahrene Realitität also möglicherweise in diesem Sinne nur virtuell? Diese Frage wird wohl unentscheidbar bleiben, sofern derjenige, der die virtuelle Realität erzeugt keine Fehler macht.

Mit den Mittel der Naturwissenschaften kann eine solche Frage nicht zu beantworten werden. Man kann sich nämlich immer hinter jeder naturwissenschaftliche Erklärungsebene eine Superintelligenz oder eine tranzendente "Kraft" (z.B. Gott) denken, die die Realität für uns genau so arrangiert (oder uns diese Realität vorspiegelt), wie wir sie erleben. Und da per definitionem diese Intelligenz oder Gottheit immer jenseits der (bekannten) Naturgesetze agiert, wird sie auch den Mittel der Naturwissenschaften nie greifbar sein[2]. Und da es möglich ist, diese Intelligenz oder Gottheit als Ursache hinter jede denkbare und noch zu entdeckende naturwissenschaftliche Erklärungsebene zu packen und zu postulieren, dass sie durch diese hindurch agiert, dient sie auch nicht als Erklärungskrücke für noch Unerklärbares.

Was macht Glauben aus?

Zu Beginn dieses Abschnittes zwei Anmerkungen:

  1. Da ich Christ bin, möchte ich mich hier auch auf den christlichen Glauben konzentrieren und andere Religion weitgehend außen vorlassen. Ich bin da einfach nicht kompetent genug. Ob und in wieweit das hier gesagte übertragbar ist, müssen andere entscheiden.

  2. Als evangelischer Christ, bin ich weder verantwortlich für manche sehr diskussionwürde Verkündigung (um es vorsichtig zu formulieren) des Pabstes noch teile oder unterstütze ich diese (Dies trifft wohl auch auf viele Katholiken zu. Auch und gerade als Christ bin ich unabhängig genug, mir aus eigenen Erfahrungen, den (mir berichteten) Erfahrungen anderer und der Bibel ein eigenes Bild zu machen.

Zurück zum Thema. Beginnen möchte ich mit einem Bibelzitat:
Glauben aber ist: Feststehen in dem was man erhofft, Überzeugtsein von Dingen, die man nicht sieht.
Hebräer 11,1
Hier sind denke ich die beiden Kernpunkte von (christlichem) Glauben zusammengefasst: Zum einen die Hoffnung auf die Zuwendung von Jesus bzw. Gott. Zum anderen das Überzeugtsein von Dingen, die man nicht sieht. In das Sehen kann man wohl ruhig die gerammte naturwissenschaftliche Forschung einordnen. Es geht also um das Überzeugtsein von Dingen, die jenseits der naturwissenschaftliche Erkenntnis liegen. Nun wäre es ziemlich absurd, dabei von Naturphänomenen zu reden, die zwar naturwissenschaftliche noch nicht erklärt werden können. Irgendwann werden jedoch auch diese (in dem oben beschriebenen Sinn) erklärbar sein .

Vielmehr geht es um Dinge, die die Beziehung von Gott zu der von ihm geschaffenen Welt beschreiben. (Das ein solcher Gott postulierbar ist, habe ich bereits im vorigen Abschnitt dargestellt.) Damit wird das Zitat auch in sich einheitlicher. Es geht beim Glauben nicht um die Naturgesetze sondern um Gott, d.h. um die Beziehung zwischen (in meinem Fall) mir und Gott. Und dies ist per definitionem ein Bereich der den Naturwissenschaften entzogen ist[3].

Ich vermute in ähnlicher Weise lässt sich das auch auf andere Religionen oder Glaubenssysteme übertragen. Und in einem verallgemeinerten Sinn sind auch Atheisten gläubig:

Da die Entscheidung für einen zunächst willkürlich (d.h. ohne wissenschaftlich beweisbare Notwendigkeit) postulierten Gott eben willkürlich ist, ist die Entscheidung gegen einen Gott genauso willkürlich (als eine von mehreren Möglichkeiten, die alle ohne (natur-) wissenschaftlich beweisbare Notwendigkeit sind). Die Willkür verschwindet erst vor dem Hintergrund der eigenen persönlichen Erfahrung. Je nach dem wie diese aussieht, fällt man dann (bewusst oder unbewusst) sein eingene Entscheidung. In diesem Sinn ist auch der explizite Nichtglaube ein Glaube.

Gibt es Analogien Naturwissenschaften und (christlichem) Glauben?

In den vorigen Abschnitten habe ich mich bemüht Glauben und Naturwissenschaften gegeneinander abzugrenzen. Jetzt möchte ich umgekehrt der Frage nachgehen, ob es nicht auch auch gewisse Analogien zwischen Naturwissenschaften und Glauben gibt?

Nun Glauben beruht auf subjektive Erfahrungen, die Naturwissenschaften dagegen auf Messungen bzw. Experimenten, also gewissermaßen "objektivierten Erfahrungen" (Ich fasse den Begriff "Erfahrung" bewusst hier etwas weiter). Das heißt also, beide beruhen auf "Erfahrungen", die mit den jeweils angemessenen Mittel erworben werden. Wobei ein wesentlicher Unterschied darin besteht, dass beim naturwissenschaftlichen Experiment das Ergebnis mehr oder weniger genau (bis auf den Messfehler eben) vorhersagbar ist (vorausgesetzt man bewegt sich im Bereich der gesicherten Theorien). Die Reaktionen Gottes aber nicht vorhersagbar sind. Aber auch im zwischenmenschlichen ist ja keine Reaktion programmiert und so exakt vorhersehbar. Ähnlich ist es auch mit Gott. Es geht eben um eine Beziehung zwischen zwei "Personen".

Ein weitere Analogie besteht darin, dass beide "Welterklärungsansätze" a priori Aussagen benötigen. In dem eine Fall werden sie Axiome genannt im anderen Dogmen, Glaubenssätze, ... . Beide, sowohl die Axiome und als auch die Dogmen bilden das jeweilige Fundament, auf dem aufgebaut wird.

Ohne das Axiom, das die Naturgesetze statisch sind, d.h. sich nicht zufällig von einem zum anderen Moment ändern, könnten die Naturwissenschaften nicht funktionieren. Keine Theorie würde Sinn machen, selbst wenn diese Änderungen nur langsam, fast nicht wahrnehmbar abgelaufen wären, aber übermorgen ein großer Sprung bevorsteht. Das Axiom sagt nun, dass dem nicht so ist. Beweisbar ist das Axiom jedoch nicht. Es kann sein, dass morgen um 10.23 die Graviationskonstante sich halbiert. Dann würde sich das Axiom als falsch herausstellen, auch wenn dies wenig wahrscheinlich ist. Die Axiome der Naturwissenschaftler müssen also durch die Erfahrungen bzw. Experimente gedeckt werden.

Genauso ist es mit den Dogmen. Dogmen, die der (subjektiven, persönlichen) Erfahrung der Gläubigen oder ihrer Lebenswirklichkeit widersprechen, werden sich nicht halten können.

Von Dogmen und Axiomen zu unterscheiden sind dagegen altehrwürdige Traditionen bzw. lang etablierte Theorien. Diese haben sich im Laufe der jeweiligen Geschichte entwickelt und scheinen oft fundamental zu sein, sind es aber nicht. In der Physik hat die Quantenphysik seinerzeit einige Grundfesten umgestoßen. Und im Prinzip kann niemand vorhersagen, wann und ob uns wieder eine entsprechender Paradigmenwechsel bevorsteht.

Bei den Religionen ist es oft schwerer das wahre Fundament vom vorgeblichen zu trennen. Beispielsweise halte ich die wortwörtlich Inspiration für nicht gegeben. Für andere Christen ist dies unumstößlich so[4]. Es wird also ein Dogma daraus.

Man muss also beide Dogmen und Axiome von Zeit zu Zeit hinterfragen, um festzustellen, ob sie wirklich so fundamental sind oder ob sie nicht inzwischen von der Wirklichkeit widerlegt worden sind.

Um es klar zu sagen, ich halte den Parallelen Axiom und Dogma bzw. Erfahrung und Experiment für Analogien. Ich will also nicht behaupten, dass ein Dogma dasselbe wie ein Axiom ist, sondern nur dass es gewisse Parallelen zwischen beiden gibt.

Wie passen Naturwissenschaften und (christlicher) Glauben zusammen?

In meinen Augen beschrieben Naturwissenschaften und Religion verschiedene Bereich des Lebens, die (mathematisch ausgedrückt) orthogonal zueinander stehen. Der Glaube ist dabei für das eigene (und somit subjektive) (Er-)Leben zuständig, während die Naturwissenschaften die "äußere", objektivierbar Welt beschreibt.

Obwohl Naturwissenschaften und (christlicher) Glauben für unterschiedliche, orthogonale Bereiche des/meines Lebens, bzw. meiner Weltsicht zuständig sind, gibt es doch Überschneidungen. Das prominenteste Beispiel dürfte dabei wohl die Evolutionstheorie bzw. der Schöpfungsbericht sein (siehe auch nächster Abschnitt).

Zunächst muss man erst einmal fragen, welchen Erklärungsanspruch haben die Naturgesetze und und welchen hat die Bibel,bzw. der Glauben an (einen) Gott. Für die Naturgesetze habe ich das weiter oben bereits ausgeführt. Bleibt also noch der Anspruch der Bibel, bzw. des Glaubens zu klären.

Es gibt Christen, die der Bibel, die sie für wortwörtlich inspiriert halten[4], einen all umfassenden Erklärungsanspruch zuweisen. Nun habe ich bereits ausgeführt, dass Glaube für mich eine subjektive Angelegenheit ist. Etwas was mit der Beziehung zwischen mir und einem Gott zu tun hat. Natürlich glaube, dass Gott "aufgepasst" hat, das nicht vollkommen Falsches in der Bibel steht (zum Schöpfungsbericht bitte den nächsten Abschnitt lesen). Ich glaube aber, dass es nicht sein primäres Interesse war, naturwissenschaftliche Erkenntnisse zu verbreiten. Diese wären wohl auch kaum von den Menschen vor 1000, 2000 ,3000 Jahren verstanden worden. Es ging ihm vielmehr um Beschreibungen von exemplarischen Beziehungen zwischen ihm und Menschen. Der Wert der Bibel als Quelle naturwissenschaftliche Erkenntnisse ist also recht begrenzt.

Schöpfungsbericht vs. Evolutiontheorie

Nun also mein Beitrag zum Streit Schöpfungsbericht/Kreationismus und Evolutionstheorie[5]. Wie bereits gesagt, halte ich die Bibel nicht für eine Quelle naturwissenschaftliche Erkenntnis. Die Frage nach dem Woher haben sich die Menschen aber schon immer gestellt. Also hat Gott damals auch dazu "geäußert". Ich denke, Gott wollte dabei - neben einer gewissen Beschreibung der Weltentstehung, um den Wissensdurst damaligen Menschen zu stillen - vor allem zwei Aussagen machen: zum einen "Ich wars, der die Welt gemacht hat" und "Auch ich halte an den Sabbat, dann tut ihrs gefälligst auch". Es geht meines Erachtens nach, also beim Schöpfungsbericht in erster Linie nicht um Naturwissenschaften.

Aber wie bringt man Menschen, die keine Ahnung von einfachsten naturwissenschaftlichen Zusammenhängen haben, etwas so komplexes wie die Entstehung der Welt und die Evolution nahe? Heute würde man wohl dazu ein Video oder einen Fernsehfilm einsetzen. Damals (mangels Video) kann man sich vorstellen, dass Gott die Entstehung der Welt mittels Visionen dem Autor des Schöpfungsbericht hat zukommen lassen. Und um ihm Zeit zugeben das jeweilige Vision zu verarbeiten, geschah dies nicht auf einmal sondern in sechs bzw. sieben Visionen an ebenso vielen Tagen. Daher also der Erschaffung der Welt an sieben Tagen (= in sieben Visionen)

Damit erübrigt sich auch anzunehmen, dass die Schöpfung exakt in der Reihenfolge stattfand, in der sie sich im Schöpfungsbericht findet. Vielmehr kann man annehmen, dass Gott das ganze nicht nur chronologisch sondern auch thematisch geordnet hat. Der biblische Autor betrachtet die Schöpfung dabei aus einer erdgebundenen Perspektive. Etwas anderes wäre ihm wohl damals kaum verständlich gewesen. So ergibt sich dann folgendes Bild:

  1. Tag: Die Erde entsteht und kühlt sich ab. Die Erde ist aber noch zu warm, als dass alles Wasser runter regnen kann. Es gibt eine dicke Wolkendecke. Entsprechend sind der Wechsel zwischen Tag und Nacht nur schemenhaft wahrnehmbar.

  2. Tag: Es regnet und der Himmel wird schemenhaft sichtbar. Es bleiben aber eine Menge Wolken übrig, so dass die Sicht auf die Gestirne verstellt ist.

  3. Tag: Der nächste Punkt ist mir unklar. Entweder die Vision spielte bisher über dem Wasser und Gott lenkt erst jetzt die Aufmerksamkeit auf das Land, oder der Autor beobachtet wie sich Land durch Vulkanausbrüche bildet. Hier fehlen mir paläogeologisches Wissen. Gab es von Anfang an Landmassen und Ozeane oder haben die sich erst später gebildet?

    Spätestens jetzt verlassen wir auch die strenge Chronologie. Gott zeigt schon jetzt wie das pflanzliches Leben das Land erobert.

  4. Tag: Nun hier verziehen sich offenbar die Wolken soweit, dass der Himmel sichtbar wird und der biblische Autor sieht Sonne, Mond und die Sterne (auch denkbar wäre, dass die Visionen vorher nicht den Himmel zeigten.)

  5. Tag: Nun sind wir also beim Meer und in der Luft. Die Vision zeigt wie sich das tierische Leben dort entwickelt.

  6. Tag: Die Landtiere und schließlich am Ende der Mensch (als Mann und Frau) erscheinen in der Schöpfung. Dass die die Evolution noch nicht zu Ende ist, spielt hier keine Rolle. Der Mensch dürfte für den damaligen Autor viel interessanter und wichtiger gewesen sein, als irgendwelche Tierarten, die sich danach noch neu entwickeln.

  7. Tag: Und hier macht selbst Gott Pause. (Wozu dieser meiner Meinung nach dieser Tag im Schöpfungsbericht steht, habe ich ja schon weiter oben geschrieben).

Ob sich es wirklich so abgespielt hat, weiß ich natürlich nicht. Es scheint mir aber ein plausibles Szenario zu sein. Wichtig ist dabei aber, dass damit die scheinbaren Gegensätze zwischen Schöpfungsbericht und Evolutionstheorie überwunden werden können. Die Kernaussagen sind meiner Meinung, die beiden oben Gott in den Mund gelegten. Aus Naturwissenschaftlicher Sicht sind solche Szenarien natürlich unnötig. Ihre Berechtigung liegt auch mehr in der Brücke, die sie zwischen Glauben und Naturwissenschaft schlagen können.

Die in diesem Zusammenhang von christlicher Seite oft angeführte Alternative Kreationismus hat als naturwissenschaftliche Theorie zu einem zweifelhafte Grundlagen (ein naturwissenschaftliche Theorie kann sich nicht primär auf Glaubensaussagen, wie den Schöpfungsbericht, stützen) und zum anderen weniger Erklärungskraft als die Evolutionstheorie. Auch die Evolutionstheorie lässt sich Fragen offen. Doch ist sie die bislang beste Theorie zur Beschreibung der Entstehung des Lebens. Aber sie hindert niemanden daran zu glauben, dass in die beteiligten Zufallsprozesse Gottes ordne Hand eingreift.

Quintessenz

Ich denke, ich habe gezeigt, dass es mit ein wenig Phantasie ist es sehr wohl möglich, den Widersprüche zwischen Glauben und Naturwissenschaften zu aus zu räumen. Dazu ist es allerdings notwendig, genau zu gucken, was essentieller Bestandteil der jeweiligen Weltsicht ist und was ungesicherte Spekulationen, bzw. wo Traditionen den Blick aufs Wesentliche verstellen. Ich glaube, dass Gott uns heutigen Menschen diesen Denkprozess zutraut. Im Gegenteil meiner Überzeugung nach erwartet er von uns sogar, seine 2000 Jahre alte Offenbarung mit Hilfe und im Lichte des uns heute zur Verfügung stehenden Wissens neu zu interpretieren.

Wenn man sich also die Mühe macht nach Brücken zwischen Glauben und zu suchen, ist es sehr wohl möglich als Naturwissenschaftler und Christ zu leben.

Persönliche Quintessenz

Ich denke, dass ich in diesem Text genau gezeigt habe, wie für mich solche Brücke aussehen. Um bei dem Beispiel Schöpfung zu bleiben. Als Naturwissenschaftler habe ich eine Vorstellung, wie die Welt entstanden ist. Die beste Theorien, die es da im Moment gibt, sind im physikalischen Teil der Schöpfung die kosmologischen Theorie, die auf den GUT's(Great Unified Theories) und der angestrebten TOE (Theory Of Everything) fußen, und die Evolutionstheorie im biologischen/biochemischen Bereich. Als Christ glauben ich, dass Gott es war, der es so eingerichtet hat, dass die Welt sich so entwickelt hat und dass er es genauso gewollt hat, auch mit allen Fehlern[6]. Er hatte offenbar kein Interesse an Marionetten-Menschen, die blind seinen Willen folgen, sondern hat selbstbewusste und eigenständige Menschen gewollt, die in Ihren Entscheidungen frei sind. Das hat aber zur Konsequenz, dass sie sich auch gegen ihn entscheiden und handeln können. Und es ist an uns Menschen, was wir mit dieser Freiheit anfangen, im Guten wie im Bösen, bis hin zu Gewalt, Krieg und Terror (die Liste ließe sich fortsetzen).

Ethische Dimension

Das heißt natürlich nicht, dass Nichtglauben zwangsläufig zu Gewalt oder anderem "nicht-ethischem" Verhalten führt. Und umgekehrt, schützt Glauben nicht automatisch vor davor so zu handeln. Nach christlicher Überzeugung (Römer 2, 12-16) weiß sogar jeder Menschen was Gut und was Böse ist, unabhängig davon, ob er glaubt oder nicht. Jeder kann sich also immer für das Gute entscheiden, ohne an Gott zu glauben. Und als Christ handelt man mit Nichten automatisch immer richtig. Christen sind genauso Menschen wie Nichtchristen und machen als solche Fehler (und nicht zu knapp).

Wenn ich hier Kriege, Gewalt und Terror angeführt habe, so als Beispiel von extreme Beispiel von Gott abgewandtem Verhalten. Ich kann daher den Glauben von Menschen, die sich an Bürgerkriegen beteiligen, - und erst recht wenn diese religiös motiviert (z.B. Nordirlandkonflikt) sind - nicht nachvollziehen.

Sicher hätte Gott die Welt auch so einrichten können, dass alles eindeutig auf ihn hinwiest. Nur hätte es dann schon Dummheit und bzw. oder Ignoranz bedeutet, sich nicht für Gott zu entscheiden. Was wäre das für eine (Entscheidungs-) Freiheit, wo nach selbst menschlich Maßstäben Nichtglauben Dummheit oder zumindest Ignoranz gleichzusetzen wäre? Ich glaube daher, dass Gott sich zurückgehalten und eine offene Welt geschaffen hat, in der sich die Menschen nach freien Stücken und eigener Entscheidung ihm zuwenden.

Nun leiden aber nicht nur Nichtchristen unter Gewalt - wo es wenigstens eine gewisse wenn auch zweifelhafte Logik hätte, nach dem Motto "selbst-Schuld" - sondern auch Christen. Es sieht dann oft so aus, als gäbe es Gott nicht oder sähe er weg. Als ob er selbst seine Anhänger alleine lässt. Ich glaube, dass dies täuscht. Gott steht "den Seinen" bei. Nur ist auch und besonders Gott frei zu entscheiden, wie und wann er das tut. Daher scheint es manchmal so, als würde Gott nichts tun, weil er nicht das tut, was ich von ihm erwarte, was er meiner Meinung nach tun müsste. Aber Gott ist mindestens genauso souverän und frei in seinen Entscheidungen und Handlungen, wie wir es sind.

Um uns nun die Entscheidung für ihn leichter zu machen (so ganz unparteiische ist er eben doch nicht), hat er versucht in Jesus uns besonders Nahe zu kommen. So als eine Art Angebot: Hier bin ich. Ich bin nicht weit weg, unnahbar, sondern ich bin hier, bei Euch, Euch zugewandt.

Persönliches

Für mich ist Jesus wie ein Freund, auf den ich vertrauen kann und mit dem ich alles bereden kann (das nennt man dann beten). Das heißt nicht, dass mir alles passt, was er "sagt" und oft ist mir auch nicht klar, was er nun sagt. Schließlich ist die Kommunikation zwischen Gott und Menschen ist ganz unproblematisch. Der zwischen Menschen übliche Kommunikationskanal, das gesprochene Wort, fällt bei ihm flach, Also bleibt nur ein Buch (die Bibel), das schon vor geraumer Zeit geschrieben wurde, und eine indirekte Kommunikation durch andere Menschen. In ersterem Fall stimmt die konkrete Situation häufig nicht mit meiner überein. Das macht Interpretationen nötig. Im zweiten Fall stellt sich immer die Frage, was von dem Gesagten kommt von Jesus und was von dem jeweiligen Mensch. Aber irgendwie hat es bisher (fast) immer hingehauen, wenns darauf ankam.

Wie kam es zu diesem Text

Nun an dieser Stelle sollte ich mal die Stationen erwähnen, die mich dazu gebracht haben einen solchen Text zu schreiben. Irgendwann 1968 wurde ich getauft. Dann kamen später ca. 18 Jahre Kindergottesdienst (etwa die Hälfte davon als Mitarbeiter). Später hat der Vorbereitungskreis des Kindergottesdienst dann auf Familiengottesdienste umgesattelt. Zuletzt haben wir in der Ernst-Moritz-Arndt Gemeinde in Berlin-Zehlendorf etwa alle 2 Monate einen solchen Gottesdienst gemacht. Seit neuestem bin ich in Göttingen in der Christoferusgemeinde aktiv.

In meiner Oberschulzeit war ich in einem Schülergebetskreis. Während meiner Studienzeit war ich in einer christlichen Band (erst am Keyboard; später am Mischpult), und im Uni-Gebets-Kreis an der FU. In diesem Kreis waren (und sind) Christen aus sehr verschiedenen Konfession, von Katholiken über Protestanten und Baptisten bis hin zu eher charismatisch eingestellten Christen. Es war für mich daher ein sehr interessanter Kreis, in dem ich gelernt habe Glaubensüberzeugungen anderer zu akzeptieren und von ihnen zu lernen. Ich denke, dass das Physikstudium zusammen mit diesen sehr verschiedenen Kreisen mich in meinem Glauben sehr geprägt hat.

Und schließlich bin ich im Internet auf verschiedene Seite gestoßen, die entweder die Evolutionstheorie in Frage stellen (z.B hier) oder den Glauben (z.B hier), weil er scheinbar die Evolutionstheorie und die Wissenschaften in Frage stellt. Ich denke beide Positionen sind zu schwarz/weiß gedacht (wobei es jedem überlassen bleibt schwarz und weiß auf die beiden Positionen zu verteilen). Ich hoffe, ich habe mit diesem (nun recht lang gewordenen Text) verständlich machen können, dass es noch Grautöne dazwischen gibt.


Anmerkungen

  1. Ich bin Physiker und kann daher hier nur für das sprechen, was ich in der Physik kennen gelernt haben. Für die anderen Naturwissenschaften müssen hier Andere die entsprechenden Aussagen treffen.

  2. Steven Hawking behauptet zwar in einer seiner neusten Arbeiten, dass er Gott weg erklärt habe. Abgesehen davon das dieses paper - soweit ich weiß - nicht unumstritten ist, scheint es nur eine Weiterentwicklung einer früheren Idee von ihm zu sein, bei der (vereinfacht ausgerückt) das Universum eine Fluktuation eines übergeordneten "Hyperraumes" sei. Aber auch hier lässt sich fragen, wer hat diesen "Hyperraum" geschaffen? Gott? Auch hier kann man wieder eine Ebene hinter die Naturgesetze gehen und dort einen Gott postulieren.

    Ich muss allerdings zugeben, dass entsprechende paper (soweit ich weiß bei Phys. Rev. erschienen) nicht gelesen zu haben. Meine Kenntnisse von Quantenfeldtheorie, Pfadintegralen und allg. Relativitätstheorie dürften dazu wohl auch kaum ausreichen. Falls jemand genaueres weiß und ich hier Blödsinn erzählt haben sollte, bitte ich um eine Mail mit Aufklärung.

  3. Ich kenne mich in der Psychologie nicht aus. Daher kann ich nicht sagen ob das "Phänomen" Glauben, nicht dort konsistent erklärbar ist oder erklärbar sein wird. Aber selbst wenn, warum sollte sich Gott nicht der (von ihm geschaffenen) Naturgesetze bedienen, um mit den Menschen zu kommunizieren. O.K. das klingt ein wenig trotzig, das Argument hält aber trotzdem.

  4. Man muss sich hier auch fragen, was den wörtlich Inspiration bedeutet? Und was daraus folgt?

    Besagte Christen schließen daraus, dass die Bibel daher wortwörtlich aus zulegen sei. Nur die Bibel ist im Original hebräisch, bzw. griechisch. Jesus selbst hat wohl Aramäisch gesprochen. Es liegen also mindestens ein oder zwei Übersetzungen zwischen Original und der Bibel auf deutsch. Nun lässt sich kein Text exakt mit allen Feinheiten aus einer Sprache in eine andere übersetzten. Das geht schon zwischen zwei so eng miteinander verwandten Sprachen wie Deutsch und Englisch nicht. Um wie viel schwieriger ist es dann, wenn die Quellsprache aus einem anderen Sprachkreis stammt, wie eben Hebräisch und Griechisch. Und selbst innerhalb einer Sprache unterliegen Wörter einem Bedeutungswandel. Wie kann man das noch exakt den ursprünglichen Sinn erfassen? Also selbst wenn die Bibel wörtlich inspiriert wäre, hätte das für uns, 2000 und mehr Jahre und etwa zwei Übersetzungen später, wenig Bedeutung.

    Und schließlich ist es eh notwendig in der Auslegung die geänderten Lebensbedingungen zu berücksichtigen. Wieso sollen wir dann eigentlich glauben, dass Gott dies nicht berücksichtigt hätte, als den Autoren der Bibel auf die Finger geguckt hat. Gehören nicht zu den geänderten Lebensbedingungen auch unsere größere Kenntnis historischer und auch naturwissenschaftlicher Zusammenhänge? Kann es da nicht sein, dass Gott es geradezu von uns erwartet, diese Kenntnisse anzuwenden, um zum Kern, d.h. zu ihm vorzudringen?

  5. Die Idee zu dem hier vorgestellten Szenario stammt allerdings nicht von mir, sondern von einem mir bekannten Physiker und Christen. Da ich zu ihm keinen Kontakt mehr habe, weiß ich nicht, ob eine Nennung hier ihm recht wäre. Daher möchte ich vorerst darauf verzichten. Im übrigen war seine Intention, als er das Szenario entwarf, aus dem ich dann das hier vorgestellte gemacht habe, eher entgegengesetzt zu der hier vorgetragenen.

  6. Dagegen wird oft die Allmacht Gottes angeführt. Aber das Gott allmächtig ist, bedeutet doch nur, dass er es hätte perfekt machen können, wenn er gewollt hätte. Offenbar hat er nicht gewollt.


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